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Rinpoche's Testament

Khempo Dorje Gyaltsen Rinpoche ist der wesentliche Mitbegründer unseres Meditationszentrums. Nach vielen Jahren in chinesischen Gefängnissen kam er nach Deutschland und hat hier das wunderschöne Dharma Zentrum mit aufgebaut, das wir den Pauenhof nennen. In einer Vollmondnacht am 6.5.1993 starb er in Rajpur, Indien in der Nähe seines Meisters S.H. Sakya Trizin. Bevor Rinpoche verstarb, hat er uns ein Testament hinterlassen. Dieses Testament bildet heute die Richtlinie für das Leben und die Energie hier auf dem Pauenhof. Alles, was hier geschaffen wurde, wäre ohne das Testament und seinem Verfasser nicht denkbar!

Deutsche Version

Pauenhof den 9.04.1993

„Jetzt wo ich wieder da bin, sehe ich hier auf dem Hof, obwohl ich nicht viel gesehen habe, eine wunderschöne Entwicklung. Was gibt es für mich mehr zu wünschen, als dass dieser Ort offen ist für alle fühlenden Wesen und dass hier das DHARMA gelehrt werden kann … und wenn das mein letzter Wunsch ist. Die Arbeit, die hier im Zentrum gemacht wird, ist eine Arbeit, bei der es um das Wesentliche im Leben geht: Hier in Europa gibt es so viele Wertvorstellungen. Vieles, von dem man erwartet, dass es Freude und Erfüllung bringt, ist in Wirklichkeit Ursache von Leiden. Betreibt die Entwicklung des Dharma regelmäßig und konstruktiv. Wie ein Baum, der langsam seine Wurzeln treibt, sollte diese Arbeit auch zuverlässige Wirkungen haben – nicht wie der Esel, dessen Mühen ihn nicht weiter bringen. Ich bin jetzt 5 Tage hier, und ich möchte in diesen Tagen alle sehen, die mit dem Zentrum zu tun haben. Für mich ist dieses Zentrum zu einer Hauptaufgabe in meinem Leben geworden. Was hier entstanden ist, ist nicht von mir ausgegangen, sondern wir alle haben die Ursachen dafür geschaffen und schaffen sie immer weiter. Alles, was ich wünsche, ist, dass die Menschen die Realität, die Wirklichkeit des Lebens verstehen lernen. Ich habe alles getan, was ich tun konnte. Am Anfang war ich Bauarbeiter. Das habe ich nicht gemacht, weil ich so gerne am Bau arbeite. Ich dachte mir einfach: Wenn ich einen Stein trage, werden die anderen vielleicht zwei Steine tragen. Die Natur des Samsaras hat es mit sich gebracht, dass ich krank geworden bin. So ist das Leben! Und wenn ich hier sterben würde, wäre das ein idealer Platz, nicht Indien, nicht Nepal, sondern hier oder in Tibet. Und wenn ich jetzt sterbe, hört das Dharma deswegen nicht auf.
Es gibt viele gute Lehrer in allen Traditionen. Ich würde mir wünschen, wenn wir hier weiter auf der Sakya Tradition aufbauen würden. Ich habe Lama Gendün ausgewählt, der heute kommen wird. Er ist ein zuverlässiger und grundehrlicher Lama. Ich empfinde ihn als höchst geeignet, die Arbeit hier weiter zu betreuen. Das heißt aber auch, dass wir Lamas aller Traditionen einladen sollten, denn wir müssen unbedingt Offenheit für alle Schulen des Buddhismus bewahren. Nur wenn wir zu konträr handeln, könnten Konflikte entstehen, die mehr schaden als nutzen. Versucht, das zu vermeiden. Wenn ich nun sterbe, wäre es eine große Erleichterung für mich zu wissen, dass hier ein Ort weitergeführt wird, an dem Menschen zusammenkommen und praktizieren. Dann wäre, auch wenn ich jetzt sterben würde, mein Lebenswunsch halbwegs erfüllt. Das ist der Grund, warum ich jetzt extra noch einmal gekommen bin. Das wollte ich Euch noch einmal sagen (Rinpoche ist unter großen Schmerzen gereist …). Ich bin jetzt 72 Jahre alt und wenn ich sterbe, geschieht das mit einer Kontrolle über den Vorgang des Sterbens. Ihr wisst, dass ich gebetet habe, hier zu sterben. Ich wollte, dass eine Stupa meine Präsenz hier gewährleisten kann. Ich habe keine Angst zu sterben. Dennoch habe ich mich operieren lassen, um meinen Wunsch zu erfüllen, 85 Jahre dem Dharma dienen zu können. Lasst uns hoffen, dass dieser Wunsch in Erfüllung gehen kann. In 5 Tagen fahren wir nach Indien, und wir werden dort mit S.H. Sakya Trizin sprechen. Michel wird mich begleiten und Euch über die Ergebnisse dieser Gespräche berichten. Michel hat eine große Verantwortung übernommen mit diesem Zentrum. Auch sein Herz und seine Kraft sind hier konzentriert. Ich möchte Euch bitten, ihn dabei, wo Ihr nur könnt, zu unterstützen. Es wäre wirklich traurig, wenn dies nicht geschehen würde. Unter spirituellen Freunden ist das wichtigste die Harmonie, gegenseitige Hilfe im Dharma. Denkt daran, dass es auch wichtig ist, diese Eigenschaften nach Außen zu tragen. Jemand mag vielleicht die Vorstellung haben, dass Dharma und die Welt nicht zusammen passen. Das ist ein völliges Missverständnis. Das Dharma und der Alltag müssen zusammen gelebt werden.

Bewahrt Offenheit,
bewahrt Zusammengehörigkeit,
bewahrt gegenseitige Unterstützung,
bewahrt Fürsorge,
bewahrt die Liebe.

Dann wird nichts zu schwer werden. Lebt das Dharma in dieser Welt. Hier gibt es keine wirklichen Gegensätze. Lasst Euren Geist nicht eng und klein werden. Versucht Gefühle und Gedanken zusammen zu entwickeln, sonst entsteht eine unstabile Situation:

FÜHLT MIT VERSTAND UND VERSTEHT MIT GEFÜHL!

Das gilt für jede Beziehung unter den Menschen.

So entsteht KONTINUITÄT.
So entsteht KONTAKT.

Ich bin jetzt sehr erleichtert, dass ich Euch das alles noch sagen konnte! Vorhin, als ich aus dem Flugzeug stieg, hatte ich befürchtet, dass ich dazu keine Gelegenheit mehr bekäme. Ich wollte Euch das alles noch sagen. Wenn ich sterbe, gibt es nicht weniger Dharma auf der Welt. Das liegt an Euch, die Arbeit weiterzuführen.“

English Version

Pauenhof, 9.04.1993

„Now, back here at Pauenhof, I see, even though I did not see much, a wonderful development What more is there for me to wish, that this place will be open for every woman, for every man, for every sentient being, and that the Dharma is being taught here … and if that would be my very last wish! The work done here at the centre is that kind of work, which is the essential work in life: Here in Europe we have so many different standards of value. So many activities we expect happiness and fulfilment from. But they turn out to be the very source of suffering. Develop the Dharma in a constructive and continuous way. Like the tree slowly unfolds his roots, your work should have reliable effects – not like the donkey, whose endless routine work does not bring about any kind of development for him. I am here now for five days and I would like to see everybody, who is involved in the centre. For me the centre has become the most important work in life. What has developed here did not come from me but we all have created the cause for it and we will do so in the future. All, that I wish is that people learn to understand the reality, the reality of life! I have done what I could do. In the beginning I was a construction worker. No, I did not do so because I like to work on construction sites. I only thought: when I would carry a stone, others may carry two. The nature of samsara did bring about my illness (12 years of Chinese imprisonment) Such is life. And if I would die here, that would be the ideal place, not India, not Nepal: here or in my home country, in Tibet.
When I die, that does not mean that the Dharma will end. There are so many good teachers from all Traditions. I would wish that we will continue to keep the Sakya Tradition. I have chosen Lama Gendün, who will arrive today. He is a solid and a very trustworthy Lama. I consider him to be very suitable to supervise the works done here. That also means that we should continue to invite Lamas and teachers from all Traditions, since we really should keep the openness for all schools of Buddhism! But when we act too contradictory, we might invite conflicts, and that could bring about more suffering than wholesome developments. Try to avoid that. Now, when I will die, it would be a great relieve for me, that this place will continue to prosper, that people come together and practice together. Than – even if I would die now – my lives’ wish would be fulfilled at least to some extend. That is the reason I took the pain of coming here one more time. That is what I wanted to tell you. (Rinpoche was travelling under severe pain.) I am 72 years now and when I die, I will die with control over the process of dying. You know, that I did pray to die here. I wanted a Stupa to represent my presence at this place. I am not afraid to die. Still I went through this operation to fulfill my wish of becoming 85 years old to keep serving the Dharma. Let us hope that this wish can become true.
In five days we will travel to India and I will meet H.H. Sakya Trizin there. Michel will accompany me and he will report about what will happen there. Michel has taken a great responsibility for the centre. His heart and his power are concentrated here as well. I pray that you will support him wherever you can. It would be so sad, if that would not happen.Among spiritual friends the most important virtues are harmony and support in the Dharma. And always keep in mind that it is very essential to represent these virtues to the outside world as well. People might have the idea that the samsaric world and the Dharma does not go together. That is a complete misunderstanding! The Dharma and the every-day-living must be practised together!

Keep openness 
Keep togetherness 
Keep support for each other 
Keep caring for each other 
Never give up on LOVE!

Then nothing will become too difficult. Live the Dharma in this very world. There are no real contradictions. Never let your mind become small and narrow.

Try to develop your mind and your heart together – otherwise an unstable situation will arise!

FEEL WITH YOUR MIND!
UNDERSTAND WITH YOUR HEART!

That is true for every relationship within the realm of sentient beings!

THIS IS HOW CONTACT DEVELOPES.
THIS IS HOW CONTINUITY COMES ABOUT.

Now I feel very relieved, that I was able to tell you that. Some hours before, when I was stepping out of the airplane I was afraid, that I might not have the opportunity to tell you all that any more. That is what I wanted to say! When I will die, there will not be less Dharma in the world. It is up to you to take over the Dharma work. “